Franz Schubert - Kosegarten cycle


18. Luisens Antwort, D.319

Luisa:

Wohl weinen Gottes Engel,
Wenn Liebende sich trennen.
Wie werd'ich leben können,
Geliebter, ohne dich !
Gestorben allen Freuden,
Leb'ich fortan den Leiden,
Und nimmer, Wilhelm, nimmer
Vergisst Luisa dich.

Wie könnt' ich dein vergessen !
Wohin ich, Freund, mich wende,
Wohin den Blick nur sende,
Umstrahlt dein Bildniss mich.
Mit trunkenem Entzücken
Seh' ich es auf mich blicken.
Nein, nimmer, Wilhelm, nimmer
Vergisst Luisa dich.

Wie könnt' ich dein vergessen !
Geröthet von Verlangen,
Wie flammten deine Wangen,
Von Inbrunst nass um mich !
Im Wiedersehen der Deinen,
Wie leuchteten die Meinen !
Nein, nimmer, Wilhelm, nimmer
Vergisst Luisa dich.

Wie könnt' ich dein vergessen !
Vergessen jener Stunden,
Wo ich, von dir umwunden,
Umflechtend innig dich,
An deine Brust mich lehnte,
Ganz dein zu sein mich sehnte !
Geliebter, nimmer, nimmer
Vergisst Luisa dich.

Selbst wenn du falsch und treulos
An fremde Brust dich schmiegtest,
In fremden Arm dich wiegtest,
Vergessend Schwur und Pflicht,
In fremden Flammen brenntest,
Luisen gar verkenntest,
Luisen gar vergässest -
Ich, ach! vergäss' dich nicht !

Verachtet und vergessen,
Verloren und verlassen,
Könnt ich dich doch nicht hassen;
Still grämen würd ich mich,
Bis Tod sich mein erbarmte.
Das Grab mich kühl umarmte...
Doch auch im Grab', im Himmel,
O Wilhelm, liebt' ich dich !

Im mildem Engelglanze
Würd' ich dein Bett' umschimmen
Und zärtlich dich um wimmern:
"Ich bin Luisa, ich:
Luisa kann nicht hassen,
Luisa dich nicht lassen,
Luisa kommt zu segnen,
Und liebt auch droben dich."


Updated: 17 December 1999 Kosegarten